Bocholt – Die Westmünsterlandbahn aus Bocholt möchte das stillgelegte Gütergleis in den
Industriepark Mussum wiederbeleben. Die Gespräche mit der Stadt laufen – und auch die
ersten Unternehmen sollen Interesse bekundet haben.
Die Westmünsterlandbahn GmbH plant, das zum Industriepark führende Stammgleis zu übernehmen und dort Güterverkehr wieder möglich zu machen. Das vor anderthalb Jahren gegründete Unternehmen führt dazu derzeit
Gespräche mit der Stadt Bocholt, der der marode Schienenweg gehört. „Wir erwarten gegen Monatsende einen ersten Entwurf für das nötige Vertragswerk“, sagt Geschäftsführer Christof Giesers. Die Stadt Bocholt bestätigt auf BBV-Anfrage die Gespräche mit dem Interessenten über das Stammgleis.
Gesellschaft wurde 2022 gegründet
Giesers ist einer von sieben Gesellschaftern der Westmünsterlandbahn (WMB). Die Bocholter hatten sich im März 2022 mit dem Ziel zusammengetan, die Bahnstrecke von Bocholt in Richtung Münster als Infrastrukturunternehmen zu übernehmen – falls sie denn jemals reaktiviert werden könnte. Das Stammgleis hatte die Westmünsterlandbahn schon damals ebenfalls auf dem Schirm.
Das Industriestammgleis wird über eine Weiche etwa in Höhe der Feuerwehr-Hauptwache vom Hauptgleis der Strecke Bocholt-Wesel abgezweigt und führt parallel zur Alfred-Flender-Straße in Richtung Industriepark. Es ist derzeit stillgelegt und müsste für eine Nutzung zunächst einmal instandgesetzt werden. Ob sich das lohnt, darüber war in den vergangenen Jahren eine lebhafte Debatte in der Bocholter Politik geführt worden. 2022 hatte diese eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die nicht-öffentlich tagen und über die Frage der Zukunft des Gleises beraten sollte. Ein Ergebnis gibt es bislang nicht.
Eisenbahnverkehrsunternehmen sollen Transport betreiben
Nun hat offenbar die Westmünsterlandbahn die Initiative ergriffen. Laut Christof Giesers sieht die Idee so aus: Die WMB sorgt als Infrastrukturunternehmen dafür, dass auf dem Gleis Güter transportiert werden können. Das wiederum sollen verschiedene Eisenbahnverkehrsunternehmen im Auftrag von Bocholter Firmen erledigen. Die Westmünsterlandbahn erhält dafür eine Maut oder Gebühr. Ganz ohne Zuschüsse werde das aber nicht gehen. „Gleisanlagen dieser Art und Größe sind nicht eigenwirtschaftlich zu betreiben“, sagt Giesers.
Das Interesse von Bocholter Unternehmen am Güterverkehr über die Schiene sei jedoch vorhanden. Die Westmünsterlandbahn habe in der Vergangenheit viele Gespräche geführt. Etwa fünf bis zehn Unternehmen aus Bocholt und Umgebung hätten bereits ihr Interesse bekundet, künftig „erhebliche Mengen an Containern“ über die Schiene statt über die Straße transportieren zu wollen. Das wären deutlich mehr als noch vor ein paar Jahren: Damals hatte eine Umfrage der städtischen Wirtschaftsförderung ergeben, dass lediglich ein Unternehmen daran Interesse hätte.
Die Kosten für eine Instandsetzung schätzt die Westmünsterlandbahn vergleichsweise niedrig ein. Ein von ihr beauftragter Gutachter sei Mitte 2022 zu dem Schluss gekommen, dass eine Minimalinstandsetzung 60.000 Euro kosten würde, sagt Giesers. Dabei würde jedoch nicht das gesamte Gleis bis zum Klärwerk wieder befahrbar gemacht, sondern nur bis zum Abzweig zu den Firmen Fiege und Pergan. Zudem könnten die Kosten zur Hälfte vom Bund übernommen werden.
Kosten der Instandsetzung
Vor ein paar Jahren waren noch ganz andere Summen im Umlauf. 2019 war ein Gutachter zu dem Schluss gekommen, dass man zwischen 3 und 5 Millionen Euro ins marode Stammgleis stecken müsste. Ein weiterer Gutachter hatte das ein Jahr später aber revidiert: Man könne das alte Gleis auch mit viel weniger Geld auf einem Mindeststandard wieder fit machen. Er sprach von 70.000 Euro, damit das Gleis zumindest wieder betriebsbereit ist. Die Stadtverwaltung sieht im Stammgleis durchaus Chancen, schätzt die möglichen Kosten aber offenbar anders ein – und warnt deshalb auch vor Risiken: „Zunächst wären hohe Instandsetzungskosten selbst bei einer Förderung zu erwarten. Vorbehaltlich eines wirtschaftlichen Betriebs der Strecke kämen jährlich laufende Kosten hinzu.“ Doch auch diese laufenden Kosten im Jahr hält Giesers für überschaubar. Er nennt eine Summe von 25.000 Euro jährlich, um das Gleis aufrechtzuerhalten. Giesers: „Das sind keine Unsummen.“