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Information

Stellungnahmen Bahn-Unternehmen und Verbände

Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV)
Auch Bahn-Unternehmen und Verkehrsverbände setzen sich schon seit längerer Zeit mit der Frage eines attraktiven Schienenverkehrs in der Fläche auseinander. So ist es wenig verwunderlich, dass die Frage einer möglichen Reaktivierung früherer Bahnstrecken besondere Berücksichtigung findet. Insbesondere der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) setzt hier seine Schwerpunkte. Die Westmünsterlandbahn suchte daher nach nach ihrer Eingabe beim EBA zeitnah ein Gespräch mit dem VDV-Geschäftsführer „Eisenbahnverkehr“, Dr. Martin Henke. Auch der VDV unterstützt die Geschäftsziele der WMB GmbH. Aus Sicht des Verbandes ist das Erreichen klimapolitischer Ziele nur dann gewährleistet, wenn intensiv die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene vorangetrieben wird. Zentrales Instrument dazu ist die Reaktivierung früherer Verbindungen, da große Teile des stillgelegten Netzes – so auch im westlichen Münsterland – nach wie vor als Verkehrstrasse zur Verfügung stehen. Eine Wiederbelebung der Bahn trägt darüber hinaus auch zu einer grundsätzlichen Belebung des ÖPNV-Angebotes bei, einschließlich des in den Kommunen vorhandenen Busverkehrs.
In seiner 2020 herausgegebenen Agenda “Reaktivierung von Eisenbahnstrecken“ (Köln, 2020) befürwortet der VDV ausdrücklich eine Reaktivierung der Strecke 2265 (Bocholt – Coesfeld) und äußert sich ebenfalls zu den Potentialen, die mit einer Wiederinbetriebnahme verbunden wären. Mit einem überschaubaren Aufwand wäre mittelfristig zum einen die „Einrichtung einer bisher fehlenden SPNV-Relation zwischen aufkommensstarken Räumen („Verbindungsfunktion“)“ möglich. Zum anderen leiste eine Reaktivierung dieser Verbindung einen aktiven Beitrag zur „Erschließung einer bisher vom SPNV unterversorgten Region zur Herstellung eines besseren Grundangebotes im öffentlichen Verkehr („Erschließungsfunktion“).“ In einer dreigeteilten Skala stuft der VDV die Priorität der Reaktivierung der Strecke 2265 als „hoch“ ein.
Aber eine Reaktivierung würde nicht nur große Chancen im ÖPNV bieten, sondern auch die Möglichkeit der Rückkehr eines Teils des Güterverkehrs auf die Schiene, „da gerade die mittelständisch strukturierte Industrie in der Fläche verstärkt nach Alternativen zum Straßentransport sucht.“

Nach Aussage des VDV ist die Wertigkeit des Streckenabschnitts Bocholt – Coesfeld weiter gestiegen. In einer für 2022 geplanten Neuauflage „Reaktivierungen von Eisenbahnstrecken“ werden nunmehr auch klimapolitische Zielsetzungen, Umweltaspekte, gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren in stärkerem Maße mit in die Bewertung einbezogen und bewertet. Der VDV schlussfolgert daraus, dass eine Reaktivierung der Bahn dringend geboten sei und unterstützt daher die unternehmerischen Zielsetzungen der Westmünsterlandbahn GmbH.

Bahnhof Bocholt

Fahrgastverband „Pro Bahn“

Im Januar 2020 stellte der Zweckverband „Nahverkehr Westfalen-Lippe“ (NWL) die Ergebnisse der „Machbarkeitsstudie – Wiederinbetriebnahme der Schienenstrecke Bocholt – Borken – Coesfeld (-Münster)“ vor. Im Kern kommt die Untersuchung zu dem Schluss, dass auf der Strecke zwar mit einem hohen Fahrgastpotential zu rechnen ist und sie damit von hoher Bedeutung sei, der Kosten-Nutzen-Faktor einer Reaktivierung allerdings unter „1“ liege und die zu erwartenden hohen Kosten daher eine Wiederinbetriebnahme unrentabel erscheinen lassen. Grundlage des Gutachtens ist die Annahme, dass das gesamte Trassenband nach der Einstellung des Personen- und Güterverkehrs und dem Abbau des Gleiskörpers faktisch freigestellt ist, d.h. keinerlei Widmung mehr als Bahnkörper vorliegt. Somit wäre planungsrechtlich für einen kreuzungsfreien Verkehr zwingend der Bau von Brücken und Tunneln notwendig. Dieser Umstand führe daher – so die Studie – zu einer deutlichen Kostensteigerung.

Die Einwände zu den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie kritisieren vielfach die Berechnungsmethode der zu erwartenden Gesamtkosten. Auch der Fahrgastverband „Pro Bahn“ nahm die Studie zum Anlass, in seiner Fahrgastzeitung „Ruhrschiene“ (Ausgabe 02/2020) sowohl die allgemeinen Untersuchungsergebnisse des Für und Wider einer Reaktivierung kritisch zu hinterfragen, wie auch die Ermittlung der zu erwartenden Gesamtkosten.
Die Stellungnahme des Verbandes impliziert, dass aufgrund der juristisch unklaren Sachlage weiterhin davon auszugehen ist, dass der gesamte Streckenverlauf weiterhin als Bahntrasse gewidmet sei und somit Brücken und Tunnel überflüssig mache. „Pro Bahn“ verweist in seinem Kommentar zur Machbarkeitsstudie darauf, dass das Ergebnis deutlich zeige, welche Schäden die Stilllegungspolitik der damaligen Bundesbahn in den 1970-er und 1980-er Jahren angerichtet hat. „Ganze Regionen wie das Westmünsterland wurden großflächig vom Schienenverkehr abgehängt.“ (Ruhrschiene 02/2020, S. 5).

Sehr eindeutig ist auch die Positionierung zur Frage der „Entwidmung“. Aus Sicht des Verbandes muss der Annahme, alle vor der Bahnreform 1994 stillgelegten Strecken seien automatisch freigestellt, klar widersprochen werden. Erst die Bahnreform löste das rein betriebswirtschaftliche Denken der Bundesbahn ab und berücksichtigte dann bei der Frage einer endgültigen Aufgabe von Schienenstrecken auch gesamtwirtschaftliche Kriterien, so „Pro Bahn“. Aus Sicht des Verbandes führt die Berücksichtigung dieser Einwände bei einer entsprechenden Detailplanung zu einem Kosten-Nutzen-Quotienten, der deutlich über „1“ liegt. „Überlegungen, die Trasse doch lieber für einen Radschnellweg zu nutzen, mögen auf den ersten Blick verlockend erscheinen. Da aber die Verkehrsnachfrage eindeutig die Schienenwürdigkeit der Verbindung aufzeigt und der Radschnellweg nur die zwischenörtlichen Verkehre, nicht aber die weitläufigen Regionalverkehre z.B. nach Münster, aber auch ins Ruhrgebiet bedienen kann, sollten hier nicht SPNV und Radverkehr gegeneinander ausgespielt werden.“ (Ruhrschiene 02/2020, S. 5 ff.).

Auch der Fahrgastverband „Pro Bahn“ kommt abschließend zu dem Ergebnis, dass bei einer auch nur vorübergehenden Nutzung der Bahntrasse für den RS2 vor dem Hintergrund der Fördermittelbindung eine SPNV-Reaktivierung sicherlich erst nach Jahrzehnten wieder diskutiert werden könne.

VIAS Rail GmbH

Bahnhof Bocholt

Mit der Inbetriebnahme der elektrifizierten Strecke Bocholt – Wesel vollzog sich auf diesem Streckenabschnitt zugleich ein Betreiberwechsel. Zum 01. Februar 2022 übernahm die Vias Rail GmbH mit Firmensitz in Düren den elektrischen Fahrbetrieb der Linie RE 19. Vias betreibt als 100%-Tochter der Rath-Gruppe im Bundesgebiet fünf SPNV-Linien in Nordrhein-Westfalen und sechs in Hessen. Als Holding umfasst Rath regional und überregional tätige Verkehrsunternehmen mit Sitz in Deutschland, den Benelux-Staaten, Österreich und Ungarn.
Nach ihrer Gründung und im Rahmen erster Sondierungen knüpfte die Westmünsterlandbahn GmbH als Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen auch Kontakte zur Vias Rail GmbH. Die WMB GmbH betonte entsprechend ihrer Geschäftsziele, nach einer positiven Entscheidung des Eisenbahnbundesamtes für den Erhalt der Trasse, in einem ersten Schritt den Streckenabschnitt Bocholt – Rhede für den Schienenverkehr zu reaktivieren. Die Geschäftsführung der Vias Rail bekundete hinsichtlich der Frage eines möglichen Fahrbetriebs auf diesem Streckenabschnitt gegenüber der WMB GmbH ein grundsätzliches Interesse. Die zeitliche Disposition des aktuell gültigen Fahrplans würde es ermöglichen, die jetzige Standzeit des RE19 im Bocholter Bahnhof für eine Weiterfahrt von Bocholt nach Rhede und zurück auch ohne weiteres Triebfahrzeug zu nutzen. Die WMB GmbH wird dazu im Verlaufe des Geschäftsjahres 2022 ihre Gespräche mit der Vias Rail GmbH intensivieren.

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