Von BERTHOLD BLESENKEMPER
Nach jahrelangen Diskussionen in Arbeitskreisen und Moratorien kommt offenbar Bewegung in den Erhalt des Industriestammgleises nach Mussum. Die WestMünsterlandBahn GmbH, die auch für den Erhalt der Strecke in Richtung Coesfeld kämpft, will das vier Kilometer lange Gleisstück von der Stadt kaufen und betreiben. Die Bocholter Eisenbahngesellschaft BEG könnte darauf fahren. Für die Stadt und ihre Wirtschaft sei ein solcher Umschlagplatz angesichts fehlenden vergleichbarer Möglichkeiten im gesamten Münsterland ein einmaliger Wettbewerbsvorteil, meinten gestern einige Unternehmer im Rahmen der Diskussionsveranstaltung „Logistik bracht Bahn – Verkehrswende in Bocholt“ bei der Firma Pieron. Sie forderten Rat und Verwaltung unter Beifall offen dazu auf, ihre zögerliche Haltung endlich aufzugeben und zu investieren.
Es war fast schon eine Art Omen, dass der Hauptredner des Abends mit dem Auto im Stau stecken geblieben war und 15 Minuten zu spät kam. Umso engagierter brach Joachim Berends (Foto), Chef der Bad Bentheimer Eisenbahn, anschließend ein Lanze für mehr Güterverkehr. Denn auf die Wirtschaft kämen gewaltige Herausforderungen zu, meinte der Vizepräsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen. Zum einen würden Unternehmen in einigen Jahren gezwungen sein, dezidierte Nachhaltigkeitsgutachten vorzulegen. Nach denen würden die Banken teilweise ihr Ranking der Kreditwürdigkeit ausrichten, hieß es weiter. Hinzu kämen der Zertifikatshandel für CO2, der Mangel an Lkw-Fahrern und der steigende Druck auf den Autobahnen. Das alles werde deutlich mehr Waren auf die Schiene bringen, so Berend.
Christoph Giesers von der WestMünsterlandBahn GmbH zeigte anschließend auf, dass ein Güterverkehr zwischen dem Hafen in Rotterdam und dem Bahnhof in Bocholt durchaus möglich ist. Aber dann müsse dort noch einmal investiert und zumindest ein weiteres Abstellgleis gebaut werden, ergänzte Guido Lohscheller von der Bocholter Eisenbahngesellschaft.
Für die Renovierung des Stammgleises nach Mussum kalkulieren die Kaufinteressenten 60.000 Euro ein. Stadtbaurat Daniel Zöhler zeigte sich skeptisch und verwies auf Gutachten, die von mehreren Millionen Euro sprechen.
Den Gästen schien das egal. „Ich verstehe gar nicht, warum die Verwaltung immer der Bremsklotz ist“, meinte ein Unternehmer. Auch in der Politik scheinen sich langsam Mehrheiten für den Ausbau des Stammgleises zu finden. „Wir müssen Mut zeigen und eine Grundsatzentscheidung treffen. Und danach kann man dann ins Detail gehen und das mit Zahlen unterlegen“, erklärte SPD-Fraktionssprecher Martin Schmidt.