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S-Bahn-Projekt Münsterland

Disparitäten der Schienen-Infrastruktur / BBV v. 15.04.2023


Die Stadt Münster und die umliegenden Kreise und Städte sind bestrebt, mit dem Projekt „S-Bahn Münsterland“ bis 2035 neue Wege der ÖPNV-Mobilität zu beschreiten. Kern des Projekts ist die Intensivierung des Schienen-Personen-Nahverkehrs in Form einer Anbindung der Gemeinden an das Oberzentrum Münster im 30-Minuten-Takt. Davon soll auch der eher ländlich geprägte Raum profitieren.
Verantwortlich für Planung, Koordinierung und Finanzierung dieses auf die Zukunft der Mobilität ausgerichteten Projekts ist der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL).

Doch ein Blick auf das dem S-Bahn-Projekt „Münsterland“ zugrundeliegende und im Ausbau befindliche Schienennetz lässt schon bei oberflächlicher Betrachtung unmittelbar erkennen, dass die Region westlich von Coesfeld, der Bereich über Borken bis Bocholt, unberücksichtigt bleibt. Die Westmünsterlandbahn GmbH (WMB) als Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen mit Sitz in Bocholt ist der Auffassung, dass ohne eine Schienen-Infrastruktur in diesem Bereich mit direkter Anbindung an das Oberzentrum Münster ein großer Teil des Münsterlandes regelrecht „abgehängt“ wird. Die Kreisstadt Borken wie auch Bocholt als Mittelzentrum verfügen als Endhaltestellen lediglich über Schienenanbindungen in die Landeshauptstadt Düsseldorf oder das Ruhrgebiet. Nicht allein unter dem Gesichtspunkt einer notwendigen Verkehrswende oder des Klimaschutzes ist eine horizontale Bahnanbindung in Ost-West-Richtung dringend geboten und wäre mit der Reaktivierung der ehemaligen Bahnverbindung Bocholt – Borken – Coesfeld wieder möglich.

Die WMB widerspricht mit Nachdruck der politischen Auffassung, dass das westliche Münsterland auch ohne Schienenwege vom S-Bahn-Projekt Münsterland profitiert und das bestehende Netz von Schnellbuslinien dafür ausreicht. Für den Wiederaufbau des Schienennetzes sprechen zahlreiche Gründe. Seit der Stilllegung sind die Gemeinden sowohl bevölkerungstechnisch wie auch wirtschaftlich stark gewachsen. Besonders der ländliche Raum hat tagtäglich unter einem hohen Pendleraufkommen in Form des individualisierten PKW-Verkehr zwischen Umland und den größeren Städten zu leiden. Nur ein gut ausgebautes Schienennetz schafft hier ein adäquates Angebot mit kompensierender Wirkung.

Die WMB hält dazu die bereits bestehenden S-Bus-Linien nicht für das geeignete Mittel der Zukunft, den Herausforderungen an eine „Mobilität für Alle“ gerecht zu werden. Das S-Bahn-Konzept ist auf kurze Taktung, Schnelligkeit, Komfort, Service und Zugänglichkeit ausgelegt. Als Teil der öffentlichen Straßenverkehre sind daher Schnellbus-Linien schon unter Kapazitäts- und Komfortgesichtspunkten nicht annähernd in der Lage, mit einer guten Schieneninfrastruktur im Münsterland zu konkurrieren. Die WMB unterstützt die Ansichten des NWL, wonach sich das Verhalten der Bürger:innen nur dann ändert, wenn ihnen die richtigen Angebote gemacht werden. Das Projekt „9-Euro-Ticket“ war dazu der beste Beweis.

Die WMB sieht sich in ihren geschäftlichen Zielsetzungen auch im Einklang mit dem NRW-Landesentwicklungsplan (LEP NRW), der hinsichtlich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) mit speziellem Schwerpunkt auf den Schienenverkehr klare Eckpunkte setzt. „Die Mittel und Oberzentren des Landes sind bedarfsgerecht an den öffentlichen Verkehr anzubinden. Das Schienennetz ist so leistungsfähig zu entwickeln, dass es die Funktion des Grundnetzes für den ÖPNV wahrnehmen kann. Nicht mehr genutzte, für die regionale Raumentwicklung bedeutsame Schienenwege sind von der Regionalplanung als Trasse zu sichern.“ Besonders die Kommunen, so der LEP NRW, und die Aufgabenträger des öffentlichen Verkehrs haben die Erreichbarkeit der zentralen Versorgungsbereiche der Grund,- Mittel- und Oberzentren mit dem ÖPNV zu gewährleisten.

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt liegt aus Sicht der WMB im demografischen Wandel begründet, auf den auch der ÖPNV besonders im ländlichen Raum frühzeitig reagieren muss. Das Statistische Landesamt NRW legt in seiner jüngsten Vorausberechnung zugrunde, dass bis zum Jahr 2030 die Zahl der Menschen im Rentenalter um 10 Prozent steigen wird. Die Statistiker rechnen dabei im Zeitraum 2024 bis 2030 insbesondere in den Kreisen mit höheren Zuwächsen als in den kreisfreien Städten. Die größten Anstiege im westlichen Münsterland haben demnach die Kreise Borken (17,4 Prozent) und Coesfeld (18,5 Prozent) zu erwarten.

Die Attraktivität ländlicher Räume wird nach Ansicht der WMB unter Berücksichtigung der Aspekte „Leben“, „Wohnen“, „Arbeiten“ und Freizeit“ in ganz entscheidender Weise vom Angebot eines gut vernetzten Schienen-Personen-Nahverkehr beeinflusst. Bocholt und Borken dürfen nicht Endhaltestellen des Schienenverkehrs bleiben, sondern müssen wieder zu attraktiven Bahnknotenpunkten ausgebaut werden.

Unter Berücksichtigung des im Juli 2022 vom Bundesverkehrsministerium beschlossenen neuen standardisierten Bewertungsverfahrens (2016+) kündigte der NWL an, dass voraussichtlich Ende 2023 eine neue Machbarkeitsstudie zur Wiederinbetriebnahme der Strecke Bocholt – Borken – Coesfeld vorliegen wird. Die WMB verbindet damit die Zuversicht, dass unter Berücksichtigung wichtiger Umweltfaktoren, Klimaziele etc. der Nutzen-Kosten-Faktor deutlich über „1“ liegen wird, womit eine Förderwürdigkeit der Schiene und die Möglichkeit der Reaktivierung gegeben wäre. Mit dem Wiederaufbau des Schienennetzes im westlichen Münsterland möchte die Westmünsterlandbahn einen aktiven Beitrag leisten, dass Berufspendler, Schüler, Auszubildende, Senioren und Touristen auf ein adäquates Bahnangebot zurückgreifen können.

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