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Entwidmung gestoppt!

Die Westmünsterlandbahn GmbH (WMB) kommt ihrem Ziel, die Trasse zwischen Bocholt und Rhede als Schienenweg zu sichern, ein Stück näher. Das Eisenbahnbundesamt (EBA) teilte der WMB in zwei Schreiben v. 13.07.2022 mit, dass die Städte Bocholt und Rhede ihre Anträge auf Entwidmung der Bahntrasse zurückgezogen haben. Gründe wurden nicht genannt.

Nach den Ratsentscheidungen der Städte Bocholt und Rhede im September 2021, auf dem Trassenstück den Radschnellweg RS2 zu bauen, erfolgte seitens der beiden Städte als Eigentümer der Grundstücke gemäß § 23 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) die Antragstellung auf „Freistellung von Bahnbetriebszwecken“, die sog. „Entwidmung“.

Zuständig ist das Eisenbahnbundesamt. Die WMB GmbH hingegen möchte die Trasse erhalten, um so eine Option für die Reaktivierung der Bahn als zusätzliches ÖPNV-Angebot zu schaffen. Die WMB macht dazu ein „Verkehrsbedürfnis“ geltend und beantragte als Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen beim EBA am 26.01.2022 die Ablehnung der Anträge aus Bocholt und Rhede. „Die Inbetriebnahme der elektrifizierten Strecke Bocholt – Wesel im Februar 2022 setzte deutliche Zeichen in Richtung Intensivierung des öffentlichen Schienen-Personen-Nahverkehrs (SPNV). Die Reaktivierung und Verlängerung der Linie RE 19 würde nicht nur eine deutliche Verbesserung der „Mobilität von morgen“ für alle

Bevölkerungsschichten bedeuten, sondern auch große Chancen für die regionale Wirtschaft eröffnen. Gute Bahnverbindungen entscheiden darüber, ob junge Menschen zur Ausbildung nach Bocholt kommen, junge Familien hier siedeln, Fach und Führungskräfte Bocholt als attraktiven Arbeits- und Lebensmittelpunkt wählen und sich Firmen und Unternehmen hier niederlassen“, so der

WMB-Pressesprecher Dr.

Andreas Klöcker.

Verband deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV)

Ebenso wie die WMB sieht auch der VDV ein deutliches Verkehrsbedürfnis gegeben, dass einer Freistellung klar entgegensteht. In einer Stellungnahme zur Freistellung der Eisenbahnstrecke Bocholt – Borken – Coesfeld (Strecke 2265) verweist der VDV gegenüber dem EBA auf ein erhebliches Potential für den Personenverkehr. „Der südliche Kreis Borken, zu dem auch die Stadt Bocholt gehört, ist derzeit im Schienenpersonenverkehr unterversorgt. Die Städte Rhede, Velen und Gescher verfügen über keine Anbindung an den SPNV. Es besteht eine wenig AttraktiveBusanbindung, die wegen vieler Halte langsam ist und durch hohes Verkehrsaufkommen auf den Straßenverbindungen behindert wird“, so derVDV. Eine nachhaltige Entlastung der stark frequentierten B67 Richtung Münster durch den Bau des RS2 sieht der VDV nicht. In seinem Positionspapier zur Frage einer Reaktivierung von Bahntrassen spricht sich der VDV daher mit Nachdruck für die Wiederinbetriebnahme der Strecke Bocholt–Borken-Coesfeld aus.

Fahrgastverband Pro Bahn NRW e.V.

Auch der gemeinnützige Fahrgastverband Pro Bahn bezieht hinsichtlich des Status Quo der Bahntrasse gegenüber dem EBA eindeutig Position. Mit Hinweis auf die vom Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) 2020 vorgelegte Machbarkeitsstudie wird zum einen auf das vom NWL ermittelte hohe Potential für den schienengebundenen Personenverkehr verwiesen, zum anderen jedoch kritisiert, dass die Berechnung der Wirtschaftlichkeit auf der falschen Annahme beruhe, dass die Strecke vollständig entwidmet sei, d.h. von Bahnbetriebszwecken freigestellt, was allerdings nach derzeitigem Stand nicht der Fall ist. Auch der Fahrgastverband plädiert aufgrund der großen regionalpolitischen Bedeutung der Trasse klar für eine Reaktivierung. „Aus unserer Sicht [Fahrgastverband] ist dies die regionalpolitisch bedeutendste Strecke unter allen in NRW diskutierten SPNV-Reaktivierungsprojekten“,so der Fahrgastverband. Ein Radschnellweg kann aus Sicht des Verbands eine SPNV-Reaktivierung keinesfalls kompensieren. Auch die WMB hält die Annahmen der NWL-Machbarkeitsstudie hinsichtlich des juristischen Status für fraglich und ist dazu in Gespräche mit dem Zweckverband eingetreten.

Verkehrspolitik NRW

Speziell im klaren Bekenntnis der neuen NRW-Landesregierung, die Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken zu beschleunigen, sieht die WMB ein deutliches Zeichen zum Ausbau des ÖPNV-Angebots. Der „Zukunftsvertrag” formuliert die Zusage: „Eine Entwidmung von Bahnstrecken soll es in NRW nicht mehr geben.“ Insbesondere Ministerpräsident Hendrik Wüst führte anlässlich der Eröffnung der elektrifizierten Strecke Bocholt – Wesel im Februar aus, dass die Mobilität besser und sauberer, NRW wieder zum „Bahnland“ werden müsse. Die WMB sieht darüber hinaus mit der am 01.07.22 in Kraft getretene neuen „Standardisierten Bewertung“(2016+) zudem noch größere Chancen für eine Wiederinbetriebnahme der Bahn, da nun Faktoren wie Klima- und Umweltschutz, Verkehrsverlagerung, Daseinsvorsorge und Elektrifizierung als Bewertungsmaßstäbe für die WirtschaftlichkeitsberechnungBerücksichtigung finden. „Die mit Einführung des „9 Euro-Tickets “einsetzende starke Nachfrage und Diskussion über ein Nachfolgeangebot belegen, dass Bahnangebote von der Öffentlichkeit gewünscht und genutzt werden. Es muss daher besonders in ländlichen Regionen wie dem westlichen Münsterland der Ausbau der Schienen-Infrastruktur beschleunigt vorangetrieben werden“, so WMB-Geschäftsführer Christof Giesers.

Die WMB GmbH möchte aufgrund der neuen Sachlage und vor dem Hintergrund der verkehrspolitischen Diskussionen zum Ausbau des SPNV den beiden Städten Bocholt und Rhede nun ein Gesprächsangebot über die künftige Nutzung der Bahntrasse für den Schienenverkehr unterbreiten.

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