PRESSEMITTEILUNG
Bocholt, 25.07.2025
Westmünsterlandbahn GmbH lässt Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Bahnstrecke Bocholt – Borken – Coesfeld überprüfen
Die Westmünsterlandbahn GmbH (WMB) hat weiterhin erhebliche Zweifel an der Objektivität und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse der überarbeiteten Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Bahnstrecke Bocholt – Borken – Coesfeld (– Münster). Die Studie wurde am 9. Dezember 2024 vom Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) beim Zweckverband Mobilität Münsterland (ZVM) vorgestellt.
Um eine unabhängige und wissenschaftlich fundierte Bewertung zu erhalten, insbesondere für den Abschnitt Bocholt – Borken, hat die WMB die renommierte TransportTechnologie-Consult Karlsruhe GmbH (TTK) mit einer kritischen Prüfung der NWL-Studie 2024 beauftragt. Die TTK ist auf Mobilitäts- und Verkehrskonzepte sowie Machbarkeitsstudien zur Reaktivierung des Schienenpersonennahverkehrs spezialisiert und verfügt über langjährige Expertise. Als erster Schritt fand bereits eine Vor-Ort-Begehung des Streckenverlaufs Bocholt – Rhede – Borken statt, an der Vertreter von TTK und WMB teilnahmen. Die TTK GmbH hat den NWL als zuständigen Aufgabenträger ebenfalls zur Vor-Ort-Begehung eingeladen. Es erfolgte jedoch keine Rückmeldung.
Kritik an der Machbarkeitsstudie und hohen Kosten
Auch im politischen Raum, speziell von Bündnis 90/Grüne im ZVM, werden die Ergebnisse der NWL-Studie 2024 stark angezweifelt. Anfang 2025 baten die Fraktionsmitglieder des ZVM den NWL mit entsprechenden Fragen um eine Stellungnahme. In zwei Antwortschreiben des NWL vom 10. und 13. Juni 2025, die der WMB vorliegen, werden die hohen Kosten im Abschnitt Bocholt – Rhede mit der Berücksichtigung „kommunaler Belange“ und „Erwartungshaltungen“ der Städte begründet. Diese hätten eine städtebaulich und verkehrlich verträgliche sowie den örtlichen Verhältnissen angepasste bauliche Ausgestaltung der Strecke gefordert. Ein „sehr umfangreiches, von den Städten erstelltes Papier“ mit detaillierten Vorgaben sei hier zugrunde gelegt worden. Der NWL gibt an, die „Wunschlösungen“ der Kommunen „1:1 übernommen“ zu haben, obwohl sie über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen.
Die WMB kritisiert, dass der ursprüngliche Auftrag für die Machbarkeitsstudie lediglich eine Neuberechnung nach dem Verfahren der „Standardisierten Bewertung 2016+“ vorsah. Stattdessen wurde der Gutachter vom NWL beauftragt, weitreichende bauliche Lösungen zu planen, die weit über die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (EKrG), hinausgehen.
Förderfähigkeit und juristische Fragen
Hinsichtlich der Kritik an nicht förderfähigen Kreuzungsstellen gemäß Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) erklärt der NWL, dass eine Prüfung der Förderfähigkeit erst sinnvoll sei, wenn eine realisierbare Lösung gefunden wurde, die den Anforderungen entspricht. Bezüglich der Bewertung von Fahrzeugkosten und Fahrgastnutzen verweist der NWL auf die bundesweit verbindliche „Standardisierte Bewertung 2016+“. Es sei nicht der Fahrgastnutzen geringer bewertet worden, sondern das Kosten-Nutzen-Verhältnis habe sich durch die Einbeziehung der kommunalen Belange verändert.
Die WMB ist daher der Ansicht, dass die explodierenden Kosten im Wesentlichen auf „baulichen Sonderlösungen wie Troglagen, Über- oder Unterführungen, sowie die „1:1 Übernahme“ von städtebaulichen Vorgaben zurückzuführen sind. Die Einbeziehung kommunaler Wünsche vor einer rechtsverbindlichen Klärung der Förderfähigkeit konterkariert den Zweck einer Machbarkeitsstudie, deren zentrales Ziel ein volkswirtschaftlich vorteilhafter Nutzen-Kosten-Faktor (≥1,0) ist. Ebenso kritisiert die WMB die unklare und intransparente Abgrenzung zwischen politischen Wünschen und technischen Notwendigkeiten und fordert eine überarbeitete Studie auf Basis der gesetzlichen Anforderungen, die die Förderfähigkeit einzelner Abschnitte sachlich bewertet.
Ungeklärte juristische Fragen und „Kostenfalle Troglagen“
Die Frage, ob das Eisenbahnkreuzungsgesetz (EKrG) den Bau von Über- oder Unterführungen an allen Kreuzungspunkten verlangt, wurde vom NWL bisher nicht transparent beantwortet. Der NWL behauptet pauschal, das EKrG lasse im Abschnitt Bocholt – Borken keine höhengleichen Bahnübergänge zu. Die WMB hält diese Auslegung des §2 Abs. 3 EKrG für juristisch nicht haltbar, da die Verpflichtung zu höhenfreien Kreuzungen nur dann besteht, wenn die Sicherheit des Straßen- oder Eisenbahnverkehrs es „zwingend“ erfordert. Dies ist einzelfallbezogen zu prüfen und nicht generell für Reaktivierungsstrecken anwendbar. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, 3 B 15.16) hat klargestellt, dass die Frage der „Neuheit“ einer Kreuzung im Einzelfall zu prüfen ist und insbesondere auf die tatsächliche Nutzung und Widmung der Strecke abzustellen ist. Wurde eine Strecke, wie im Fall Bocholt – Rhede, lediglich stillgelegt, aber nicht entwidmet, ist eine höhengleiche Kreuzung grundsätzlich zulässig.
Die als „alternativlos“ dargestellten Troglagen stellen einen massiven Kostenfaktor dar. Obwohl der NWL betont, sie seien „nicht explizit gefordert“ worden, räumt er ein, dass sie auf Wunsch der städtebaulichen Verträglichkeit gegenüber Brücken oder Unterführungen bevorzugt wurden. Dies bedeutet für die WMB, dass eine technisch bevorzugte Variante durch eine politisch motivierte „Wunschlösung“ ersetzt wurde, was negative Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Reaktivierung hat. Darüber hinaus erscheint es ausgesprochen fraglich, ob die Trogbauwerke städtebaulich verträglich sind.
Nach Ansicht der WMB wurde statt einer fachlich und juristisch fundierten Grundlage für die Wiederinbetriebnahme der Strecke ein mit überdimensionierten Planungsannahmen wirtschaftlich nicht tragbares Projekt inszeniert. Des Weiteren kritisiert die WMB die Position des NWL, wonach „alle Kommunen eingebunden“ und „alle Wünsche berücksichtigt“ wurden. Die WMB verbindet mit der unabhängigen Prüfung durch die TTK GmbH Karlsruhe die Erwartung, dass eine objektive Analyse der Ergebnisse der NWL-Studie 2024 die aufgeworfenen Fragen und Unstimmigkeiten klärt.
Die Reaktivierung der Bahnverbindung Bocholt – Coesfeld hat aus WMB-Sicht ein großes Potenzial für die Region – verkehrlich, ökologisch und wirtschaftlich. Daher ist eine neue, transparente, förderfähige und an den tatsächlichen Anforderungen der Infrastruktur orientierte Bewertung notwendig. „Ein bloßes Wünsch-dir-was aus den Rathäusern darf nicht länger Maßstab sein für die Bewertung von Infrastrukturmaßnahmen, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden sollen“, so die WMB.
Über die TTK GmbH Karlsruhe:
Die TTK GmbH Karlsruhe ist ein etabliertes Ingenieurbüro, das sich auf umfassende Dienstleistungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs spezialisiert hat. Das Leistungsspektrum umfasst den Entwurf von Verkehrsanlagen im Bahnbereich, die Erstellung von Mobilitäts- und Verkehrskonzepten, Machbarkeitsstudien zur Reaktivierung von Eisenbahnstrecken, die Bewertung von Infrastrukturprojekten, betriebliche und wirtschaftliche Analysen und die Begleitung von Planungsverfahren sowie die Bauüberwachung bei der Umsetzung. Die TTK GmbH zeichnet sich durch ihre Expertise bei der Anwendung standardisierter Bewertungsverfahren und ihre Fähigkeit aus, komplexe verkehrliche und infrastrukturelle Fragestellungen ganzheitlich zu betrachten und fundierte Lösungen zu entwickeln. Mit einem Team aus erfahrenen Ingenieuren, Verkehrsplanern und Wirtschaftswissenschaftlern bietet die TTK GmbH maßgeschneiderte Lösungen für Kommunen, Verkehrsverbünde und Eisenbahnunternehmen. Ihre Unabhängigkeit und wissenschaftliche Arbeitsweise sind anerkannte Stärken des Unternehmens.
Kontakt:
Dr. Andreas Klöcker M.A.
Co-Pressesprecher / Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: dr.a.kloecker@wmb-gmbh.de
Mobil: 0171 53 53 327
Carlos Gonçalves
Pressesprecher / Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: c.goncalves@wmb-gmbh.de
Mobil: 0157 3399 7241